Gallus Theater Programm: Ensemble 9. November mit Szenen eines Kulturvolks

Banner

Szenen eines Kulturvolks



Jubiläum

20 Jahre E9N

Ensemble 9. November

»Szenen eines Kulturvolks«

Eine szenische Collage über das Frauenorchester in Auschwitz

Mittwoch,   12.11.08 - 20:00 Eur 15/11
Donnerstag, 13.11.08 - 11:00 Eur 7
Donnerstag, 13.11.08 - 20:00 Eur 15/11
Freitag,    14.11.08 - 20:00 Eur 15/11
Samstag,    15.11.08 - 20:00 Eur 15/11
Sonntag,    16.11.08 - 20:00 Eur 15/11
Montag,     17.11.08 - 11:00 Eur 7
ab 16 Jahren, Schulen: (9.)10.-13. Klasse
Vormittagsvorstellungen nur mit Voranmeldung, Dauer: 70 Min.

In Anbetracht der Tatsache, dass »Holocaust« keinen Einzelfall aus der Vergangenheit bezeichnet, sondern vielmehr wegen seiner Aktualität immer wieder ins öffentliche Bewusstsein gebracht werden muss, hat sich das E9N entschlossen, anlässlich seines 20jährigen Bestehens ihr »Szenisches Oratorium«, eine szenische Collage zum Frauenorchester in Auschwitz, unter dem Titel »Szenen eines Kulturvolkes« erneut aufzuführen.

Bei dieser 5. Neubesetzung legt das E9N besonderen Wert auf eine Zusammenarbeit von professionellen Schauspielerinnen mit Schülerinnen. Das Ensemble bearbeitet Informationen zu dem Zusammenhang von Selektion und Kultur und richtet den Focus dabei nicht auf einzelne Schicksale oder Charaktere, sondern auf die organisatorische Kulturleistung Auschwitz, die Kultur selbst zur Perversion verkommen läßt und so ihre Berechtigung in Frage stellt. Zugleich soll nach Art eines Modells gezeigt werden, wie Frauen heute sich mit dem Schicksal der damaligen Opfer auseinandersetzen. Sie nähern sich diesen Opfern und rufen sich deren Situation in Text und einer strengen Choreographie wach, ohne die Geschichte, die nicht nachahmbar ist, naturalistisch nachzubilden. Deshalb findet man hier keine Sträflingskleider, kein gespieltes Elend, keine stiefelstampfende SS. Die Täter brauchen nicht selbst in Erscheinung zu treten, um, vermittelt nur durch die Frauen, penetrant allgegenwärtig zu sein.

Ein »philharmonisches Orchester« intoniert mit einer Sängerin (Mezzosopran) Musikstücke aus der Klassik, Märsche, Wiener Walzer und Operetten, die das Frauenorchester auf Befehl der SS zu spielen hatte. »Frauen mit einem klaren hohen C dürfen noch einmal überleben, die anderen kommen gleich ins Gas.« Welchen Wert hat eine Kultur, die sich eignet, die sentimentalen Seiten von Sadisten und Mördern zu streicheln, ohne ihnen auch nur den geringsten Hauch Menschlichkeit einflößen zu können?

Das Ensemble unter der Leitung von Helen Körte entwickelte sich aus einer Künstlerinitiative zum 9. November. Am 9. November 1988 brachte das E9N anlässlich der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Reichskristallnacht, mit 20 Mitwirkenden seine erste Produktion in Frankfurt zur Aufführung. Nach seiner Premiere wurde dieses »Szenische Oratorium« wiederholt in Frankfurt, u.a. im Haus Gallus, wo ein Teil der Auschwitzprozesse stattgefunden haben, sowie in weiteren Städten Deutschlands (u.a. Dresden, Leipzig, München, Herne, Freiburg) gezeigt. Die Gesamtfassung der szenischen Collagen wurde 1989 uraufgeführt. Im selben Jahr, direkt nach dem Fall der Mauer, wurde das E9N von der »Heinrich Böll-Stiftung« zu einer Aufführung nach Dresden eingeladen. Dabei wurde es vom ZDF begleitet, das sowohl in »Aspekte« als auch in einem internationalen und umfangreichen Beitrag in 3SAT sowohl über die Aufführung als auch über die anschließenden leidenschaftlichen Diskussionen mit dem vorwiegend jungen Publikum berichtete.

»Nicht allein auf diese Haltung, die Sentimentalität so trefflich mit Sadismus zu vereinbaren weiß, ist die Stoßrichtung des Stücks angelegt. Es ist auch eine Kultur, die das unverbindliche Einverständnis in der Harmonie ermöglicht, die die Dekoration des Gemüts pflegt und Auseinandersetzung meidet, die trotz aller Ansprache der menschlichen Regungen die Unmenschlichkeit nicht verhindert hat.« (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.11.1989)

Der Dichter Erich Fried schrieb zu der Dramatisierung des E9N über das Mädchenorchester in Auschwitz (1989): »Ich betrachte die Aufführung als kulturelle, kulturgeschichtliche und geschichtliche Notwendigkeit.«

Schauspieler/Innen: Susanne Schyns, Raija Siikavirta, Ingrid el Sigai, Hanna Linde, Uta Nawrath, Eva Eisenberg, Ilona Molnar, Martina Römert
Gesang: Monica Ries (Mezzospran)
Musikalische Leitung: Armin Rothermel
Bühne: Wilfried Fiebig
Dramaturgie und Regie: Helen Körte